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AUSBLICK

Der bis vor kurzem noch florierende Zinshaushandel ist fast zum Erliegen gekommen. Der Preisverfall ist bei den Wohnungskäufern aber noch nicht angekommen

Martin Putschögl  20. Dezember 2023, 12:00

15 Jahre lang konnte man als Bauträger kaum etwas falsch machen: Wohnungen bauen und in einem sukzessive steigenden Markt an den Mann oder die Frau bringen. An selbstnutzende Käufer, und mit der Zeit immer mehr auch an Anlegerinnen, als sogenannte Vorsorgewohnungen. Die Nullzinsphase lockte viele Menschen mit Geld in den Immobilienmarkt.

 

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Doch im Vorjahr setzte die Trendumkehr ein. Der rasante Zinsanstieg hat die Branche ziemlich unvorbereitet erwischt und manche Marktteilnehmer – siehe etwa Signa – auch in existenzbedrohende Turbulenzen getrieben. Grundstücke und Projekte waren schon viel zu teuer eingekauft worden, die Finanzierung der Projekte wurde plötzlich auch extrem teuer, und die Abnehmer in Form von Investoren, Anlegern oder auch Selbstnutzern stehen plötzlich nicht mehr Schlange. Das sorgt nun für zahlreiche Insolvenzen.

 

Zahlreiche Pleiten

Kürzlich hat es die Colindo Immobilien Gmbh mit Sitz im ersten Bezirk erwischt. "Das Schuldnerunternehmen ist auf den Ankauf von Zinshäusern bzw. Zinshausprojekten, die dann saniert und weiterverkauft werden, spezialisiert", hieß es in einer Aussendung des KSV 1870 vor wenigen Tagen. Die Verbindlichkeiten liegen bei rund 22,8 Millionen Euro, denen Aktiva von 11,8 Millionen gegenüberstehen sollen.

Das Unternehmen gab an, dass die steigenden Zinsen ursächlich für die Insolvenz waren. Diese hätten zu deutlich höheren Finanzierungskosten geführt, "bei gleichzeitigem Rückgang der erzielbaren Verkaufserlöse". Zwar hat die Colindo Gmbh noch vor der aktuellen Krise Immobilien im Gesamtwert von 160 Millionen Euro verkaufen können; auf dem restlichen, mutmaßlich viel zu teuer eingekauften Immobilienportfolio blieb man dann aber sitzen. Das Unternehmen bietet nun eine Quote von 20 Prozent an.

Ein Business brach ein

Der Handel mit Zinshäuern florierte in den vergangenen Jahren, jetzt endet dieses Business aber ziemlich abrupt. Das verspürt auch das Unternehmen Grossmann + Kaswurm Immobilien, wo man deshalb vor kurzem die Strategie geändert hat. "Bisher haben auch wir hauptsächlich mit Häusern gehandelt: Zinshäuser angekauft, Projekte entwickelt und mit Baugenehmigung weiterverkauft. Manche Häuser wurden in dieser Zeit vier- oder fünfmal weiterverkauft", erzählt Geschäftsführer Peter Kaswurm. Nun ist alles anders. Selbstkritischer Nachsatz: "Wir waren natürlich auch Teil dieses Systems – wir erwarten also kein Mitleid."

Eine Folge der Umwälzungen: Jetzt muss wieder alles selbst gebaut werden. Anstatt also Zinshäuser anzukaufen, Projekte wie Dachgeschoßausbauten lediglich zu planen und dann als Projekt weiterzuverkaufen, was man laut Kaswurm zu etwa zwei Dritteln gemacht hat, ist jetzt wieder hauptsächlich das klassische Bauträgergeschäft gefragt.

Nach wie vor kauft das Unternehmen zwar auch Zinshäuser an, doch die Deals dauern wieder wesentlich länger als zuvor, nämlich bis zu einem Jahr. Noch vor kurzer Zeit wurden Häuser innerhalb von drei Monaten "gedreht", wie das im Jargon heißt. Das Gute daran, jedenfalls für die Entwickler: Die Zinshauspreise sind im vergangenen Jahr massiv gefallen, und zwar um 25 Prozent, teilweise auch mehr. Im Wohnungseinzelverkauf sind solche Preisnachlässe bisher aber noch nicht zu sehen. "Das heißt, die Marge für Bauträger ist größer geworden." Vorausgesetzt, man hat den nötigen langen Atem, ein Projekt bis zum späteren Abverkauf der Wohnungen durchzubringen. Das eine oder andere Unternehmen versucht sich gerade mit teuren Überbrückungskrediten die nötige Luft zu verschaffen.

Stabilisierung der Zinsen erwartet

Eine Marktbereinigung ist aber zweifellos bereits im Gang, dadurch erkennt man auch beim Maklerunternehmen Örag neue Chancen für Entwickler. Vorstand Stefan Brezovich blickt in die nahe Zukunft und erwartet, dass 2024 und 2025 vermehrt Objekte aus notleidenden Finanzierungen auf den Markt kommen werden – "für die es durchaus Interessenten gibt, da die Preise in vielen Fällen 20 bis 30 Prozent unter den Höchstwerten der vergangenen Jahre liegen".

Was die Zinsen betrifft, sollte sich das Niveau im Jahr 2024 stabilisieren. Erhöhungen erwartet Brezovich definitiv keine mehr, eher stünden im Verlauf des Jahres ein bis zwei Zinssenkungen im Raum. Ein Zinsniveau in einer Bandbreite von drei bis vier Prozent sei jedenfalls "sinnvoll und gesund für die Wirtschaft und die Finanzwirtschaft". Auch die Immobilienwirtschaft habe viele Jahrzehnte lang mit einem derartigen Zinsniveau gut funktioniert. Der Anstieg sei dann aber viel zu rasch gekommen. "Das hat vor allem der Immobilienwirtschaft massiv geschadet, die zuvor einer der größten Nutznießer der Niedrigzinsphase war."

Doch nicht nur die "Zinsexplosion", sondern auch die im August 2022 eingeführten strengen Kreditvergaberegeln (KIM-VO) haben die Nachfrage nach Wohneigentum stark gedrosselt. Im Zusammenspiel der beiden Maßnahmen ist der Markt ziemlich zum Erliegen gekommen.

Wie sehr, das zeigen neue Daten des ZT Datenforums für den Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI): Demnach hatte es im zweiten Halbjahr 2021 pro Monat noch durchschnittlich 4560 Transaktionen von Eigentumswohnungen gegeben, und auch 2022 waren es im Schnitt noch 4000 Objekte, die monatlich ihren Eigentümer wechselten. In den ersten acht Monaten 2023 waren es aber durchschnittlich nur noch 2650 Objekte, das ist ein Rückgang um 40 Prozent gegenüber 2021. Demgegenüber habe sich das Angebot an Eigentumswohnungen auf den Online-Portalen laut der Datenbank Imabis (Immo United) verdoppelt, weil sich auch die Vermarktungszeiten der Objekte verdoppelt haben.

Bisher kein großer Preisverfall

Der große Preisverfall ist hingegen bisher nicht eingetreten. Die Preise von neu gebauten Eigentumswohnungen sind weitgehend stabil geblieben und wurden teils wegen der hohen Baukosten im Vergleich zum Vorjahr auch noch geringfügig angehoben. Gebrauchte Immobilien sind hingegen stärker vom Angebotsüberhang betroffen, heißt es vom ÖVI. "In einzelnen Gegenden waren durchaus Preisschwankungen zu verzeichnen." Die österreichweiten durchschnittlichen Kaufpreise von Eigentumswohnungen liegen im Jahr 2023 laut Immo United bei 5500 Euro, in Wien bei 6500 Euro. Der Immobilienpreisindex der OeNB für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser wies für das erste Quartal 2023 einen Anstieg von 1,8 Prozent aus, für das zweite Quartal einen leichten Rückgang um 0,3 Prozent jeweils gegenüber dem Vorjahr.

"Wer aktuell nicht verkaufen muss, wird die Immobilie halten und warten oder kurzfristig vermieten", sagt der Immobilienmakler Andreas Wollein, der im Vorstand des ÖVI vertreten ist. Er weist auch darauf hin, dass die verhaltene Situation am Eigentumsmarkt eine Verlagerung der Nachfrage in die Mietmärkte der Ballungszentren bedingt. Dort hat sich einerseits schon das Angebot an Mietwohnungen reduziert, wofür man im ÖVI auch das im Juli eingeführte Bestellerprinzip bei den Maklerprovisionen verantwortlich macht. Das Angebot auf den Plattformen habe sich von zuvor 34.000 auf nunmehr rund 25.000 Einheiten reduziert. Andererseits werde die steigende Nachfrage wohl auch nicht dazu führen, dass die Mietpreise sinken.

Von der Politik erwartet man sich im ÖVI deshalb "Maßnahmen, die es österreichischen Familien wieder ermöglichen, eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen, und eine weitere Verdrängung der Interessenten in den Mietbereich stoppen".

Unsichere Marktentwicklung 2024

Denn die Situation am Wohnungsmarkt wird sich zu Beginn des kommenden Jahres wohl nicht so leicht entschärfen lassen – eher im Gegenteil. In den beiden kommenden Jahren ist mit einer deutlichen Reduktion der Neubauleistung zu rechnen. Werden heuer noch an die 50.000 Wohneinheiten im mehrgeschoßigen Wohnbau fertiggestellt, so dürften es im kommenden Jahr etwas mehr als 42.000 und 2025 nur noch rund 34.000 sein, prognostiziert man beim einschlägigen Datenanbieter Exploreal. Und der Rückgang dürfte weiter anhalten, darauf lassen die zurückgehenden Zahlen der Baubewilligungen schließen.

Wegen des Einbruchs der Wohnungsproduktion wird auch bereits vor einem drohenden Wohnungsmangel gewarnt. Vertreterinnen und Vertreter der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft haben deshalb das "Jahrzehnt der Gemeinnützigen" ausgerufen und forderten die Politik wiederholt auf, genau jetzt diesen Sektor zu stärken – vor allem finanziell. Mit der kürzlich beschlossenen Mietpreisbremse ist allerdings eher das Gegenteil passiert.

(Martin Putschögl, 20.12.2023 www.derstandard.at)